Willkommen Neun Euro Ticket

Update 31/08

Es war da, für alle und Jede*n, Bahn fahren, quer durchs Land, juhu! Gut, da kommen wieder diejenigen mit einer Portion Unverständnis, Beschimpfungen und „Typisch Bahn“. Dürfte ja klar sein, das bei unzähligen Fahrrädern irgendwann einfach Schluss ist, aber mein Fahrrad könnte da doch noch reinpassen… Die Erlebnisse wurden in der „Ich“ Variante geschrieben, aber es sind die kleinen Geschichten vom Bahnsteig, Ironie darf teilweise ebenso gelesen werden, wie das lächeln das ich meist jedem/jeder schenke und dieses hoffentlich bei dir als Leser*in ankommt. Oh, es ist kein Video, es ist Text also zum lesen, ohne Influencer, schrecklich. Es ist quasi kurzer Lesestoff für die Bahnfahrt oder Wartezeit. 😉 Denn so wie viele immer schimpfen, so unpünktlich ist die Bahn nämlich gar nicht…

Es waren im ganzen Land viele Events, von Kirchweih, Volksfest, Live Musik usw. die Bahnen sind schon ohne dem neun Euro Ticket an diesen Tagen sehr ausgelastet. Dann kommen noch viele mit Anhänger, Fernseher, Särge – ja wie will so ein leerer auch anders transportiert werden –, Fahrrädern – mit Satteltaschen für ein ganzes Wochenende – und Kinderwagen – die Luxus Variante „extra breit“, was sonst – und so ein Mehrzweckabteil hat eben auch seine Grenzen. Aber hey, was würde das Land nur ohne diese tollen Influencer tun! Denn viele haben so eine Bahn bestimmt noch nicht von innen gesehen, wie gut dass es da solche Live-Videos gibt die einem das mal präsentieren, wie diese*r Influencer*in den Zug betritt und alle Welt daran teilhaben lässt. Extrem geil, weil ja auch jede*r das wissen will wie man Zug fährt, weil umsonst kann man es eben nur vom Bildschirm aus. Ach, ich wurde rausgeschmissen weil der Zug schon zu voll ist, da lasse ich aber gleich mal die ganze Welt daran teilhaben! „Hey, stellt euch vor ich wurde gerade vom Zug rausgeschmissen“, sehr dramatisch dass man diese Influencer nicht wie VIPs behandelt. Was würden „wir“ nur ohne diese Werbung tun. Denn eines ist zum absoluten Trend ausgebrochen, ich glaub, da mach ich gleich mal eine Story draus – das habe ich mir schon die ganze Zeit überlegt – weil ich so hübsch bin und der Bahnsteig voller Menschen ist. Die habe ich zwar nicht gefragt ob sie hier mitwirken (Foto/Video) wollen, aber ich bin’s, wenn ein*e Influencer*in eins drauf hat, dann sind es Regeln… War doch so?

Frauen im Dirndl und Männer in Lederhose, ja so ein Volksfest/Kirchweih ist doch was feines. Na klar, nimmt jede*r da keine Infos von so einem Mitarbeiter an, weil diese Gruppe von Jugendlichen haben da doch eine App und die sagt, mit diesem Zug bin ich mindestens fünfzehn Minuten schneller. Und sie vom Bahnsteig, sie wollen ja nur das wir länger unterwegs sind. Zeit ist Geld und egal ob ich auf der Toilette sitzen muss oder gequetscht wie in der Sardine, im anderen Zug (S-Bahn statt Express) ist zwar mehr Platz, aber hey, meine fünfzehn Minuten! Freiwillig Aussteigen? Kommt gar nicht in Frage, warum dürfen die drinnen bleiben und ich nicht, hier komme ich und dafür habe ich gefälligst auch bezahlt! Komm‘ eine*r geht schon noch rein, der/die zwar halb zwischen den Türen klemmen wird, aber hey, das ist mir die Fahrt wert. Da wird eben gestopft was das Zeug hält und egal ob ich einen Arsch oder eine Brust zwischen irgendwas hab. Den heftigen Knoblauch Geruch meines vorderen Fahrgastes rieche ich durch die Maske eh nicht und dass dieser keine Zähne mehr hat sehe ich – zum Glück – durch die Maske auch nicht – Bahnsteig keine Maske – im Zug Maskenpflicht –. Denn eins ist immer sicher, ich bin das letzte Mal mit der Bahn gefahren. Scheiß Bahn! Drecks Bahn! Sauhaufen! … und das waren noch die „netten“ und pauschalen Varianten!

Tatsächlich hätte ich von einigen so richtig aufs Maul bekommen, die sich richtig in Fahrt diskutieren wollen – ich steig da selten weiter drauf ein, man merkt es wann die Stimmung kippt – und ich dann natürlich die Witzfigur bin, weil ich da jetzt etwas entscheide, das dieser Zug voll ist und kein Zustieg mehr möglich ist. Ob ich mich denn im Spiegel schon mal angesehen habe – dass ich ein Nichts bin. Und er sich richtig schön vor mir aufgebaut hatte und es nicht mehr viel gefehlt hätte, aber mit Gelassenheit kommt man weiter. Einige haben eben einfach zu viel Testosteron und da stehen vielleicht ja andere wiederum drauf…

Ein anderer der unbedingt mit seinem Fahrrad vorbei musste und ich schon ziemlich nahe an der Kante des Bahnsteigs stand, musste natürlich hier noch vorbei – wohlgemerkt zwischen Kante und mir – mit einem „Tut“, auf das ich nicht reagierte, rempelte er mich leicht zur Seite und der Kommentar „Arschloch“, das musste von ihm natürlich noch mit auf den Weg gegeben werden.

Am ersten Wochenende hat sich gezeigt – und hat sich dann die nächsten Wochenenden etwas entspannt, aber nicht viel – dass viele Züge extrem ausgebucht/belegt sind. Es darf auf die Hinweise in der App (z.B. DB Navigator) geachtet und vertraut werden. Diese wurden aber leider oft ignoriert oder überlesen, das tun viele und es brachte nur Stress! So eine Reise kann entspannt und gut werden, wenn diese einer guten Planung voraus geht, auch nochmals am gewählten Reisetag sich die Auslastung anzusehen oder gleich Alternativen zu nutzen, denn bei gewissen Schnellzügen – Regionalexpress wollen alle mit. Los geht es kurz nach neun, Mittags, sowie früher Nachmittag war mit starkem Andrang auf hoch Frequentierten Strecken/Zügen zu rechnen, das variiert aber auch von Stadt und Strecke. Viele wollen nun eben nach Köln, München, Leipzig, Berlin oder eben Sylt mit dem Nahverkehr. Auch darf jede*r die Ratschläge von den Service-Mitarbeitern gerne beherzigen, die wissen es wirklich und machen – meist – ihren Job nicht erst seit gestern…

Traurig sind da nur die kleinen Geschichten, wie die eines etwas verwirrten und hilflosen Mannes, der seine Frau in dem ganzen Gedränge verloren hatte und nun ohne Handy am Bahnsteig nicht mehr weiter wusste. Leider hatte er die Handynummer von der Frau nicht im Kopf, sondern nur die Festnetznummer von zu Hause. Nun ist die Frau also alleine im Zug unterwegs und der arme Mann, dem bleibt wohl nur die Reise nach Hause, denn eine spätere Nachreise zum Zielbahnhof würde ebenso im Sand verlaufen. Wie konnte sich das glückliche ältere Paar in diesem Tumult nur verlieren. Hier komme ich?


Das rührendste Erlebnis brachte ein rund sieben Jähriges Mädchen – noch immer wenn ich daran denke kommen mir fast die Tränen vor Rührung – sie war an der Hand von ihrem Vater und ich stand an der Tür des Zuges. Mal wieder war es ein wahnsinniges Gedränge vor dem Zug und auf einmal spürte ich an meiner Hand eine kleine Hand, ich war erst etwas irritiert, aber sagte dann zu dem Mädchen „Du bist ja mutig“. Denn das kleine Mädchen nahm meine Hand einfach so und fühlte sich mit dieser sicher und ich half ihr mit ihrem Vater in den Zug und erst dann ließ sie meine Hand wieder los. Der Vater bedankte sich und das kleine Mädchen wirkte erleichtert, zusätzlichen „Halt“ gefunden zu haben in dieser utopischen Situation.

Irgendwann ist man tatsächlich bei so vielen Auskünften und hoher Arbeitsbelastung ein wenig Matsche im Kopf und so kam es das ich einer Frau das falsche Gleis mitteilte, sie spazierte dann die Treppen hinunter und wieder herauf zu dem Gleis das ich ihr mitgeteilt habe. Nach einer viertel Minute kam mir mein Fehler in den Kopf und ich flitzte ihr hinterher und suchte sie auf dem doch recht vollen Bahnsteig, aber ich kann mir Details gut merken und so erkannte ich diese recht schnell wieder. Ich sagte ihr, sie war schon auf dem richtigen Gleis nur auf diesem stehen ja zwei Züge und ging mit ihr zum richtigen Zug. Die Frau war sichtlich überrascht – begeistert über so viel Einsatz und bedankte sich dafür das sie „ihren“ Zug dann noch erreichen konnte, ein wenig später und sie hätte eine Stunde warten müssen.


Eine andere Frau die im Zug leider ein sehr unglückliches Missgeschick mit ihrem Koffer hatte, den sie oben in der Gepäckablage ablegen wollte und dabei auf die Lehne des Sitzes gestiegen ist und abrutschte, endete leider im Krankenhaus mit Verdacht auf Beckenbruch. Ja, es war etwas unüberlegt von der guten Frau, warum hatte sie sich nicht einfach helfen lassen. Nun lag die Frau nun da halb am Sitz und Boden, es hatte ihr leider keine*r geholfen, auch wenn die Frau bitterliche Schmerzen und lauthals geschrieen hatte. Es wollte keiner Aussteigen oder die Dame vielleicht mal fragen warum sie denn so schreie, viele dachten sich, wenn ich jetzt aussteige, wer weiß ob ich in diesen Zug nochmal reinkomme. Es mussten erst Mitarbeiter darauf aufmerksam werden und einschreiten, diese lauthals in den Zug brüllen und die Sicherheit hinzugezogen werden – leider so passiert – damit die Frau ärztlich versorgt werden konnte. Vielleicht waren in diesem Abteil aber auch keine Influencer sonst wäre das doch eine tolle „Ich helfe“ Story geworden…

Es war eine aufregende und bestimmt einmalige Zeit und ich stand „nur“ auf dem Bahnsteig, viele meiner Kolleginnen und Kollegen, waren in den Zügen unterwegs, sind genau wie ich, aus dem staunen kaum herausgekommen. Einige davon sind an die Grenzen ihres Stress-Levels gestoßen, leider hat sich dies in der Hinsicht auf den Krankenstand ausgewirkt. Was gab es für skurrile, einzigartige und Kopfschüttelnde Momente. Es waren teils Massen an Bahnsteigen und Zügen, teilweise sind diese auch so durch die Republik gefahren. Wie Sardinen standen sie in Zügen und einige sind zurückgeblieben weil sie nicht einsteigen konnten oder wollten. Es war Schweiß treibend und das roch man auch in vielen Zügen. Jetzt schauen wir mal wo/wie die Reise weiter geht und welches alternative Ticket nun für Deutschland beschlossen wird. Es sind Fahrräder zurückgeblieben die ihre Besitzer*innen einfach am Bahnsteig abgesperrt und stehen gelassen haben, was gab es für viele Fundsachen in den Fundbüros. Aber viele sind unglaublich gerne Bahn gefahren und ich würde es toll finden das dies in Zukunft noch weiter anhält und das Auto dafür stehen gelassen wird. Ich würde es mir für unser Klima und für unsere Zukunft wünschen.

Aber trotzdem gibt es noch die Lichtblicke und besondere Momente, egal von welchem Geschlecht. Oder die einem noch einen schönen Tag wünschen, sich bedanken und auf das lächeln quasi antworten. Danke, es ist eben nicht alles schlecht und das ist schön – wenn dass viele Menschen auch wertschätzen. Habt eine nachhaltige, schöne, gute und pünktliche Reise mit der tollen Bahn.


Habt eine schöne, gute und allzeit pünktliche Reise.
Als „Gefällt mir“ freue mich über einen Kommentar!

» Dieser Artikel / diese Ausgabe, ist verfügbar bis zum 18.06.2024 «


Schreibe einen Kommentar

Datenschutz