Und jährlich grüßt das Murmeltier

Das ist der Smartphone-Verzicht

Jedes Jahr um die gleiche Zeit mache ich – wie es heutzutage heißt digital Detox – eine Smartphonepause. Zwei Tage nutze ich das Handy nur im Notfall. Keine Benachrichtigung von Messenger, SMS oder E-mails. Einfach nichts. Getreu dem Motto, mehr Blick für die Natur und Zeit für mich. Die wenigsten können sich dies vorstellen, für mich ist das mehr oder weniger normal. Ich bin ebenso ohne Handy aufgewachsen und habe erst mit meinem sechzehnten Lebensjahr mir ein damaliges Siemens S6 Handy geleistet. Und erst später kam dann ein WAP fähiges Nokia Handy. Für mich war es trotzdem, auch wenn ich damit „nur“ teure SMS schreiben und telefonieren konnte, ziemlich aufregend. Heutzutage wäre eine Welt ohne Apps für viele undenkbar. Ich genieße diese kleine Pause dieser festen zwei Tage jedes Jahr, spontan kommen im Jahr weitere hinzu. Eben nicht erreichbar, außer die Welt ginge unter – und dann hätte mich NINA hoffentlich gewarnt. Ich kann sie in diesen Tagen abseits von Selfie und Fotos förmlich umarmen, die Höhepunkte. Mit Menschen ins Gespräch komme ich dadurch ebenso besser, wären die nicht mit ihrem Handy beschäftigt …

Das war der 4 Wochen Smartphone-Verzicht

Vier Wochen sind vorüber und ich bin ich wieder online, mit meinem Smartphone wohlgemerkt. Mir hat in dieser Zeit aber nicht viel gefehlt, das muss ich ehrlich sagen. Viele haben wieder zum Telefonhörer gegriffen, anstatt mir schreiben zu können. Und die E-Mails sind wieder in Hülle und Fülle eingetroffen, nicht nur satzweise, sondern eben richtige Romane. Alle haben wieder kommuniziert. Genau das ist es nämlich, was viele nicht mehr tun, scheinbar dank Smartphone. Ich hatte wieder mehr Zeit für meine Umwelt und habe diese aktiver wahrgenommen. Ich war Essen beim Italiener und musste mit anschauen, wie 2 Mädels nichts anderes außer mit ihrem Smartphone beschäftigt waren, zwischen Essen – trinken und wenig Worten. Traurig!

Anfangs wusste ich zugegebenermaßen nicht, wohin mit meinen Händen, denn immer in einer Wartesituation, zücken wir unsere Smartphones. So ging das bei mir in den vergangenen vier Wochen nicht. Ich musste eben wirklich warten, ob an der Kasse, beim Arzt oder sonst wo. Ich musste mich auf die Umwelt, Gesellschaft und Mitmenschen konzentrieren oder durfte diese beobachten. Voll abartig!

Vieles blieb mir dabei nicht verborgen, was ich am liebsten gar nicht hätte sehen wollen. Viele Ausschnitte, viele kurze Röcke, viele nette Gesichter und viele lächelnde Frauen. Voll eklig!

Zum Glück habe ich jetzt wieder mein Smartphone und solche Dinge bleiben mir wieder erspart. Ich habe schon wirklich angefangen zu überlegen, wie das mit dem Flirten gleich noch ging. Aber jetzt kann ich wieder online flirten und kann diese unattraktiven einfach wegwischen. Ich habe schon darüber nachgedacht, es wieder zu tun, also zu flirten, so richtig live. Mit anlächeln und ansprechen und solche perversen Dinge. Bäh, voll altmodisch!

Mein Kind sagte zu Beginn meines Verzichtes „viel Glück“. Ich weiß nicht, was das mit Glück zu tun haben soll, aber nachdem ich etwas darüber nachgedacht hatte, kam es mir. Denn die Generation Teenager kann sich das ohne Smartphone gar nicht mehr vorstellen. Da trifft jede*r sich draußen oder bei sich zu Hause und jede*r spielt auf seinem Smartphone, sehr kommunikativ ist das ganze dann mit „oh nee“, „boah krass“, „ey scheiße“, „Mann alter“. Ja, die Teenager von heute können gar nicht mehr so richtig kommunizieren, könnte angenommen werden. Denn nur noch Firi, Biri und Brexa sprechen mit einem und ersparen einem sogar noch das Lesen! Die Eltern sind froh, wenn die Kinder beschäftigt sind und nur die wenigsten interessieren sich, was diese eigentlich so auf ihrem Smartphone tun. Ein aktuelles Beispiel aus einem Erlebnis von mir. Ein zehnjähriger Junge, ist so abhängig von seinem Smartphone, dass er bei wenigen Stunden Pause bereits psychisch somatische Erscheinungen bei ihm ausbrechen. Des Weiteren surft dieser auf diversen „erwachsenen“ Seiten und kann sich online vor lauter Filmkonsum – auch Filme, die nicht seinem Alter entsprechen – kaum mehr entziehen. Da ist es vielleicht verständlich, dass dieser keine richtigen Freunde hat. Traurig!

Das Schlimmste war, dass unsere Systeme nur noch auf das Smartphone ausgerichtet sind. Ich wollte eine Überweisung tätigen, tja, blöd, ich hatte das smsTAN-Verfahren. Wie bekomme ich das also hin? Es geht nicht. Einige Banken unterstützen gar kein anderes Verfahren mehr, bei mir gäbe es noch den TAN-Generator als Alternative, dieser musste aber bestellt werden. Ich war viel mit dem E-Auto unterwegs, hier ist das nächste Problem, viele Ladesäulen können nur mit Smartphone freigeschaltet und entsprechend bezahlt werden. Sonst? Pech gehabt! Oder eine Ladesäule suchen? Meist nur mit App! Aber natürlich gab es auch Positives zu vermelden. Mein Gehirn musste mehr arbeiten und leisten. Das merkte ich schon am zweiten Tag. Kein Smartphone, das an einen Termin erinnert und das mit den Handynummern, ist auswendig auch eine echte Herausforderung. Dann sag mal deinem besten Freund Bescheid, dass du gleich da bist, bei einer Zugreise von 4:30 Stunden Länge. Denn auch die Telefonzellen sind so rar geworden wie Tante-Emma-Läden. Stress nicht!

Ich habe also viel gelernt in meinen vier Wochen Verzicht, habe meine Umwelt wieder aktiver wahrgenommen – was ich aber auch tue, wenn ich mein Smartphone habe. Und es war Urlaub für mich, denn ich war nicht jede Minute erreichbar oder online. Ich selbst habe es bestimmt, wann ich E-Mails lese oder beantworte. Ist jemand zu lange offline, haben viele einen schon vergessen …

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» Dieser Artikel / diese Ausgabe, ist verfügbar bis zum 04.04.2029 «


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